Der Hänger des Grauens

Juli 2017

Tja, das Projekt Anhängerkupplung verlief ja sehr erfolgreich und der Stahlkoloss hängt seitdem an unserem Wagen dran. Zeit etwas daran anzuhängen. Bei den Vorbereitungen und Recherchen zum Hausbau ist uns aufgefallen, dass Sand hier extrem teuer verkauft wird. Als Alternative wollen wir an geeigneter Stelle selber zum Fluss fahren und den Sand von dort mitnehmen. Mit der relativ kleinen Ladefläche des Pickups, würden wir aber vermutlich ewig brauchen, die für ein Fundament benötigten Mengen an Sand, heranzuschaffen.

Und genau da kommt der Hänger ins Spiel. Ungefähr 1,5m x 3m groß sollte er sein, und ein maximales Gesamtgewicht von um die 2 Tonnen haben. Erst suchten wir einen fertigen Hänger, kamen aber recht bald zum Schluss, dass wir uns die 3.000-4.000 Dollar dafür weder leisten konnten noch wollten. Viele Sachen sind hier in Panama wirklich teuer. Dazu zählen wohl auch Anhänger.

Also haben wir mehr oder weniger einen ganzen Tag damit verbracht, von Schrottplatz zu Schrottplatz zu fahren, um nach einer geeigneten Achse für einen Anhänger der Marke Eigenbau zu suchen. Bei einigen Schrottplätzen wurden wir auch fündig, doch die Preise für eine uralte, von Rost und Moos bedeckte, abgefaulte Achse rangierten zwischen 200 und 600 Dollar. Ein schlechter Witz wie wir fanden.

Ein wenig enttäuscht gaben wir schließlich auf und kehrten mit leeren Händen nach Hause zurück. Abends in der Hängematte entdeckte ich dann zufällig ein Inserat einer Firma, welche Anhängerbausätze in Panama verkauft. Der Verkäufer antwortete noch am selben Abend und schon tags darauf fixierten wir die Bestellung und ich erledigte die Zahlung.

Und jetzt das Unglaubliche: Keine 36 Stunden nach dem Erstkontakt mit dem Anbieter im 300km entfernten Panama City, stand unser Anhängerbausatz bereits zur Abholung in Santiago bereit. Wie war das nur möglich? Soviel Zeit benötigen wir normalerweise im Baumarkt für ein Angebot mit drei Positionen. Tja, der Verkäufer war kein Panamese und somit entsprechend fachkundig, kompetent und verlässlich.

Ja, es ist teilweise echt zäh und ermüdend hier irgendwas zu machen. Keiner hat Ahnung von irgendwas, aber davon ganz viel. Und irgendwie ist das hier auch so ein kulturelles Ding, dass niemand zugibt, wenn er keine Ahnung hat. Bei uns würde man einfach sagen „ich weiß nicht“. Hier in Panama bekommt man die kreativsten Antworten. Ich handhabe das mittlerweile so, dass ich fünf Leuten dieselbe Frage stelle, die Antworten vergleiche und dann entscheide. Ja, man muss sich zu helfen wissen.

Wir sind einfach auch dazu übergegangen, alles irgendwie selbst zu machen. Sachen die wir selber in der Hand haben, selber wissen was zu tun ist und selber die nötigen Werkzeuge dazu haben. Und da sind wir wieder beim Thema Hänger zurück. Die Achse samt Reifen, Schutzblechen und Montagezubehör hatte ich ja über Internet besorgt. Nun ging es an den Rest, nämlich massig Stahlrohre für den Rahmen. Als erfahrener Experte für Metallverarbeitung hatte Sven das voll in der Hand und plante und konstruierte was das Zeug hält.

Für den Einkauf nahmen Sven und ich uns Zeit und fuhren zu einem rund 90km entfernten Großhändler für Metall in Panama. Naheliegenderweise hatte der den Namen Metalpan. Dort angekommen taten wir etwas in Europa völlig unvorstellbares, was wir hier aber immer tun, wenn wir Material einkaufen. Wir marschierten ohne Begleitung und völlig ohne Schutzkleidung durch die riesigen Lagerhallen der Metallfirma. Nach ein paar Minuten fielen einem Gabelstaplerfahrer wohl doch die zwei Gringos mit Sandalen und seltsamen Hüten auf und er begleitete uns bei der Suche nach den Materialien.

Ich schätze 2,5 Stunden später hatten wir dann ein Angebot mit vier Positionen. Eines davon war nicht da, obwohl der Computer meinte es müsste da sein, und bei einem anderen verhielt es sich genau umgekehrt. Das Lager machte grade Inventur, hatte einen entsprechend niedrigen Lagerstand und sollte erst in zwei Wochen wieder beliefert werden. Blöd gelaufen.

Neuer Tag, anderes Geschäft. Die genauen Umstände kenne ich nicht, doch Sven kam mit einem ganzen Berg 6 Meter langer Metallstangen auf dem Dach zurück aus dem 60km entfernten Santiago. Wieder so etwas wofür man in Europa vermutlich ins Gefängnis kommt, hier aber völlig normal ist. Ja es ist alles ein bisschen verrückt, unreglementiert und einfach frei hier. Uns gefällt es eigentlich ganz gut.

Okay, alle Materialien für den Hänger waren da, die Berechnungen abgeschlossen und die Werkzeuge standen auch bereit. Dann ging das Theater wieder von vorne los. Ihr kennt es aus der Berichterstattung der Anhängekupplung 🙂

Tagelang hat Sven geflext und gesägt, geflucht und sich geärgert, gemessen und angezeichnet, getrunken und geraucht, dann geschweißt und nochmal geflext. Am Ende ließ er uns noch ein wenig streichen und kleben, damit wir nicht das Gefühl hatten, vollkommen nutzlos zu sein. Ja und dann war er schließlich fertig, unser ganz persönlicher Hänger des Grauens.

Ich finde ihn wunderschön. Wenn auch ein wenig zu massiv und schwer geworden, doch Sven hat ihn im Matsch kniend aus dem Dreck gezaubert. Unglaublich! Falls sich jetzt jemand fragt ob man in Panama einfach so einen Anhänger bauen und dann benutzen darf, ganz ohne TÜV und Spezialführerschein…ja, man darf! Beste Grüße aus der freien Welt und bis bald.

6 Antworten

  1. Gerhard Huber sagt:

    Hi Simon!

    Auf diesen Hänger den ihr alle mit viel Mühe, Ausdauer & Schweiß gebaut habt, könnt ihr richtig stolz sein ? Wenn ich das Bild mit dem fertigen Hänger so sehe, dann frage ich mich, ob „Hängerbau“ nicht eine zusätzliche Geschäftsidee wäre !?

    Schöne Grüße aus dem Ländle

    Gerhard

    • Simon sagt:

      Ja mit Hängerbau könnte man sicher Geld verdienen. Genauso wie mit jeder anderen fachmännisch durchgeführten Arbeit. Daran mangelt es nämlich massiv 🙂 Das Problem ist, dass es hier genau eine handvoll Leute mit Autos gibt. Da ist der Markt für Hänger recht überschaubar…

    • Simon sagt:

      Und gleich zwei mal derselbe Kommentar. Ja, danke soweit sind wir schon informiert 🙂 Das ist kein Wüstensand hier im Fluss sondern perfekter Bausand mit kleinen Kieseln verschmischt. Zum verputzen muss man wohl die Kiesel raussieben, zum betonieren ist das Zeug perfekt so wie es ist.

      Und ja, der Hänger ist toll geworden, finde ich auch 🙂

  2. Michael Hinterauer sagt:

    Sand – nicht jeder Sand ist zum Bauen geeignet ! Daher ist der Sand vermutlich auch so teuer, denn die sind ja nicht dumm und wüssten selber dass man billigen Sand aus dem/jedem Bach holen könnte – dies als Hinweis, fragt euch vor Ort durch ob jemand den Sand aus eurem Bach/Fluss schon mal verwendet hat und wenn ja für was genau. Mag für Mörtel OK sein, es ist aber die Frage wie stabil eine Mischung mit dem Sand ist, also wie belastbar. Kurz gesagt: Sand ist nicht gleich Sand.

    • Simon sagt:

      Der Sand den man kaufen kann im Geschäft ist deshalb so teuer, weil es hier kaum Maschinen, Fahrzeuge und Werkzeuge gibt. Nur wer Geld hat kann überhaupt zum Fluss fahren und Sand holen. Wer keins hat bezahlt dann umso mehr dafür. Der Kapitalismus ist hier schon auch angekommen…

      Was die Sandqualität im Detail betrifft würde ich sagen das ist nicht so relevant. Wir bauen hier keine Wolkenkratzer und Beton nach DIN EN 206:2014-07 gibt es vermutlich im ganzen Land nicht. Und das ist auch gut so! 🙂

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